Best of: Chris Voss

 
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Chris Voss ist einer der großen Verhandlungsprofis. Für das FBI verhandelte er in äusserst anspruchsvollen Situationen. Im Gegensatz zu anderen Verhandlungsspezialisten, die stark auf Logik und strategische Abläufe setzen, liegt sein Fokus auf den Emotionen des Gegenübers und der kommunikativen Kontrolle der Situation. In meinem Buch Das gläserne Labyrinth habe ich bereits Anregungen von Chris Voss aufgenommen und sie auf die Anwendung in Arbeitssituationen übertragen. An dieser Stelle nun zusätzlich ein paar der aus meiner Sicht weiteren besonders erhellenden Erkenntnisse und praktische Tipps aus Voss’ Bestseller Never Split the Difference:

  • Nein statt Ja: Nein ist der Beginn einer Verhandlung und nicht das Ende. Es kann klug sein, das Gegenüber zunächst zu einem kräftigen Nein zu bewegen. Das Nein bedeutet meist ein Nein zur Veränderung des Status quo und ist in der Regel temporär. Ist das Nein einmal raus, fühlt sich das Gegenüber wieder auf sicherem Boden und lässt weitere Verhandlungsschritte zu. Anschliessend könnte eine lösungsorientierte Frage passen wie: „Was daran passt nicht für dich?“, oder „Was würdest du benötigen, damit du Ja sagen kannst?“.

  • Drei Arten von Ja: In Verhandlungen ein Ja zu erreichen, ist letztendlich das Ziel. Wichtig ist aber, dass man sich nicht zu früh in Sicherheit wiegt, denn es gibt nach Voss verschiedene Ja. Das falsche Ja ist eigentlich ein Nein und dient nur dazu, den anderen reden zu lassen und ihm Informationen zu entlocken. Das bestätigende Ja ist in der Regel unschuldig, aber ohne echtes Engagement. Das Gespräch wird beendet ohne Absicht, dem Ja Taten folgen zu lassen. Es ist das echt engagierte Ja, das man in Verhandlungen anstrebt. Die drei Ja tönen so ähnlich, dass sie leicht verwechselt werden.

  • Leverage, die Hebelwirkung: Leverage, die Fähigkeit, beim Gegenüber Nachgeben oder gar einen Verlust zu erzeugen, während man selbst in der Sache gewinnt. Dazu braucht es vor allem gute Informationen. Am wichtigsten in Verhandlungen ist nun nicht, was die Gegenseite an echter Leverage hat, sondern das, was man selbst gegenüber den anderen an Leverage zu haben glaubt. Dies beeinflusst das eigene Auftreten in der Verhandlung enorm. Will die Gegenseite etwas von einem, egal was, hat man positive Leverage. Hat man etwas, das die Gegenseite möchte, hat man negative Leverage, die wegen der Verlustangst des Gegenübers sehr mächtig sein kann. Mit negativer Leverage droht man aber besser nicht, sondern erwähnt sie nur sachlich. Normative Leverage verwendet die Normen und Standards der Gegenseite. Ist man in der Lage, Inkonsistenz zwischen den Überzeugungen und den Handlungen der Gegenseite aufzuzeigen, besitzt man einen mächtigen Hebel.

  • Die von der Gegenseite verwendeten Pronomen können Aufschluss über deren Verhandlungskompetenz geben. Hört man häufig ein „ich“, „mich“ oder „mir“, liegt die echte Verhandlungsmacht erstaunlicherweise selten beim Gegenüber, sondern ist nur vorgetäuscht. „Wir“, „die“ oder „sie“ deutet eher darauf hin, dass man es mit einem geschickten Entscheidungsträger zu tun hat, der sich seine Optionen im Moment noch offenhalten möchte.

  • Wut wird in Verhandlungen oft nur vorgetäuscht. Durchschaut man dies, gewinnt man leicht die Oberhand, denn gespielter Ärger schwächt das Gegenüber zuletzt. Statt sich künstlich aufzuregen, ist es viel effektiver, ruhig und selbstbewusst zu sagen: „Tut mir leid, aber das kommt für mich nicht in Frage.“

Dies und vieles mehr in:

Voss, Chris und Tahl Raz. 2016. Never Split the Difference: Negotiating as if Your Life Depended on It. New York: Random House.

Und hier geht es zu zwei weiteren Blogposts zum Thema Verhandeln: “Der Anker” und “Vorher-Während-Nachher”.