Normalgross

 
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Wenn in meinen Workshops oder Coachings die Rede von Selbstmarketing ist, schaudert es so manch eine meiner Kund*innen. Sie fürchten sich davor zur Blufferin zu werden, hochzustapeln und anschliessend entlarvt zu werden oder zumindest als unangenehme Person zu wirken. Dabei ist es von grösstmöglicher Bescheidenheit bis hin zum Prahlen im Trump-Stil ein sehr langer Weg.

Viele meiner Kund*innen befinden sich noch nicht einmal auf diesem Weg, sondern betreiben eigentliches “Anti-Selbstmarketing”: Sie machen sich kleiner als sie sind, spielen ihre Fähigkeiten herunter und vermeiden gar, ihre effektive Funktion oder ihren Titel zu nennen.

“Ich arbeite auf der Kardiologie”, “Ich bin im Marketing tätig” oder ähnlich, heisst es dann. Statt “Ich bin Oberärztin auf der Kardiologie”, “Ich bin stellvertretende Marketingleiterin”.

Tätigkeiten und Kompetenzen werden mit Abschwächern klein gemacht, hier ein paar typische Beispiele:

  • Ich führe ein kleines Team.

  • Wir machen so eine Art Projekt.

  • Ich habe eigentlich die Führung.

  • Ich habe ein Jahr in den USA gearbeitet.

  • Ich sehe das so wie als Vorschlag.

Falls Sie bei dieser Liste über Punkt vier staunen: Der Satz stammt vor einer Kundin, die ein Jahr in den USA war und zwar in Harvard. Da hatte sie zudem einen wichtigen wissenschaftlichen Preis gewonnen und wollte nun ernsthaft im Bewerbungsgespräch sagen, sie sei in den USA gewesen. Nur das.
An diesem Beispiel lässt sich nun bestens zeigen, was “normalgross” heissen würde. Nämlich ganz einfach zu sagen, was ist. Also: USA-Harvard-Preis. Nicht mehr, aber um Himmelswillen auch nicht weniger.

Punkt 5 ist für mich eine der schlimmsten sprachlichen sprachlichen Unarten, die sich in den letzten Jahren verbreitet hat.
Mir ist auch nicht ganz klar, woher dieses “wie” stammt. Vielleicht aus der Welt der Beratung, in der man gern ungefähr umschreibend bleibt, um den Kund*innen nichts in den Mund zu legen. “Könnte es sein, dass das so wie ein Anfang einer Veränderung ist?” Oder haben wir es dem englischen “like” zu verdanken? Woher auch immer, das Wort lässt einen unklar und mutlos erscheinen. Das eigene Licht wird unter den Scheffel gestellt. Und leider benutzen meiner Beobachtung nach viel mehr Frauen dieses Unwörtchen als Männer. “Ich tue ihn so wie coachen”, hörte ich kürzlich eine Frau sagen. “Das ist so wie meine Meinung”, eine andere. Yuck!
Bitte liebe Frauen, trainiert euch das wieder ab.

Auch in schriftlichen Dokumenten, insbesondere in CVs oder sogenannten Motivationsschreiben in Bewerbungsverfahren sehe ich viel Kleinrederei, bzw. -schreiberei. Beim Foto fängt es mit einem verlegenen Lächeln in die Kamera an. In der Auflistung vergangener Arbeitsverhältnisse bezeichnet man sich selbst immer wieder als “Mitarbeiterin”, “Assistentin”, “Praktikantin”. Führungserfahrung und eingeworbene Gelder bleiben unerwähnt, Sprachkennnisse werden heruntergespielt und zum Schluss werden auch noch Office-Kenntnisse unter “IT” erwähnt. Hobbies: Lesen, Reisen.
Im Schreiben “hofft” man, statt dass man “plant” oder “anstrebt”.

Kommt es dann zum Vorstellungsgespräch, wird ungefragt auf Defizite hingewiesen, statt über Stärken und Erfahrungen geredet. Ist einem dies erst einmal bewusst, gewinnt man mit ein paar sprachlichen Umformulierungen und dem klarem Herausstreichen seiner Kompetenzen umgehend einen Wettbewerbsvorteil. Und ja, es ist oft ein Wettbewerb. Zu dem man antritt, um zu gewinnen.

Wenn wir davon ausgehen, dass “normalgross” schon sehr viel besser ist als sich klein zu reden, was wäre denn allenfalls noch erfolgreicher? Studien haben gezeigt (siehe “The Confidence Code), dass slightly overconfident sein, also ein klein wenig zu viel Selbstvertrauen zu haben oder zu zeigen, die grössten Erfolgschancen verspricht. Wenn Sie sich also ein bisschen mehr zutrauen als anderen und dies auch in angemessener, nicht prahlerischer Form verkaufen können, liegen Sie genau richtig. Und wenn Ihnen das schon zu waghalsig ist, dann stehen Sie doch wenigstens zu dem, was Sie wirklich können, leisten und sind. Sie haben so viel dafür gearbeitet!

Seien Sie zumindest normalgross.

Diese Unterstützung kann ich Ihnen bieten:

Überarbeitung von CV und Motivationsschreiben, Training für Vorstellungsgespräch und Lohnverhandlung (Coaching buchen)

leitfaden zur vorbereitung:

Check out:

Diese herausragenden Trainerinnen unterstützen Sie in Ihrem Auftritt und Selbstmarketing:
Sibylle Sommerer - www.speak.ch
Petra Wüst - www.wuest-consulting.ch