KUNSTVOLLES NETZWERKEN
Welcher ist einer der stärksten Karrierehebel? Nein, es ist nicht das Fachwissen, nicht die Dossiersicherheit, es ist nicht das Diplom (schon gar nicht das vierte, fünfte oder sechste, liebe Frauen!), es ist nicht der Fleiss und auch nicht das gute Aussehen.
Es ist, neben einem gelungenen Selbstmarketing, das kunstvolle und strategische Netzwerken. Was aber heisst „kunstvolles und strategisches Netzwerken“? Wenn Sie jetzt an Menschen denken, die bei jeder Gelegenheit ihre Visitenkärtchen auspacken und verteilen, wenn Ihnen langweilige Aperos in den Sinn kommen oder 3000 Facebook-Freunde, kann ich gut verstehen, dass Sie auf das Thema keine Lust haben.
Es gibt nämlich neben dem noch zu beschreibenden „kunstvollen und strategischen Netzwerken“ eher altbackene und bisweilen unangenehme Formen dieses Tuns. Ich denke dabei an geschlossene Zirkel wie Bruderschaften oder einige Service-Clubs, an rein transaktionale Geschäfte im Stil von „ich habe dir ja auch einmal einen Gefallen getan“ oder an Aperos, an denen einzig einem Chef gehuldigt wird, über dessen Witze zu lachen Pflicht ist.
Moderne Autoren wie Keith Ferrazzi (Never Eat Alone) oder Alexander Wolf (Dictyonomie: Fremde zu Freunden) vertreten ein lustvolles und wertebasiertes Netzwerken. Ein Netzwerk ist in ihrem Sinne kein geschlossener Zirkel von Gönnern und Günstlingen, sondern ein offenes Gebilde von interessanten, an Austausch und gegenseitiger Unterstützung interessierten Menschen. Ein funktionierendes, modernes Netzwerk zeichnet sich aus durch Offenheit und Vertrauen. Der Einstieg in ein Netzwerk geht immer über Geben ohne unmittelbare Gegenleistung. Die Währung des Netzes ist Grosszügigkeit, nicht Gier. Jede und jeder im Netz ist ihre, bzw. seine eigene Marke. Persönlichkeit, Wissen, Humor und Gastgebertum stehen im Zentrum. Alle sind bereit, von ihrer Zeit, ihren Kenntnissen, ihren Beziehungen, ja auch von ihrem Geld zu verschenken. König und Königin in diesem Netzwerk sind diejenigen, die andere am besten miteinander in Kontakt bringen können, die anderen zu Erfolg verhelfen, ohne selbst direkt davon zu profitieren. Eine Karriere als Netzwerkerin könnte aus folgenden Schritten bestehen:
1. Ich offeriere erfolgreichen und interessanten Menschen meine Zeit und mein Wissen.
2. Ich zeige mich als eigenständige „Marke“ und als Mensch mit vielfältigen Interessen (hier kommt das Selbstmarketing!).
3. Ich verhelfe anderen zu Erfolg.
4. Ich werde Gastgeberin und Verknüpferin
Netzwerkbeziehungen sind dann tragfähig, wenn sie sich durch echtes Interesse an anderen Menschen auszeichnen. Neben Erfolg und Karriere ist das Kennenlernen von interessanten Menschen der Hauptgewinn des Netzwerkens. Weshalb wohl geht Keith Ferrazzi nie alleine essen? Weil er gern mit anderen Menschen zusammen is(s)t. Und natürlich bringt ihm das auch Erfolg. Aber stil- und lustvoll muss es sein!
Nun ist der Einstieg ins Netzwerken nicht jedermanns und vor allem nicht jederfraus Sache. In meinen Kursen und Coachings begegne ich vielen Widerständen, Ängsten, ja sogar Ablehnung, wenn es um das Thema Netzwerken geht. Hier einige der häufigsten Bedenken, meist übrigens von Frauen geäussert:
„Nutze ich nicht andere Menschen aus, wenn ich das Netzwerken „strategisch“, das heisst auf meine eigenen Ziele bezogen angehe?“
„Ich habe doch nichts anzubieten.“
„Ich nehme auf sozialen Netzwerken keine Anfragen von Leuten an, die ich nicht kenne.“
„Mir ist nicht wohl auf Aperos, also gehe ich da nicht hin. Ich habe andere Freizeitinteressen.“
„Ich kenne gar keine erfolgreichen Leute.“
Zunächst einmal könnte man auf diese Bedenken antworten: Niemand muss irgendetwas. Es ist absolut legitim, im eigenen Büro einen guten Job zu machen und sonst nichts. Das aber hat einen Preis.
Und weiter:
Ich nutze andere nie aus, wenn ich auch zu geben bereit bin. Das spannende an Netzwerken ist übrigens, dass immer etwas zurückkommt, aber häufig nicht von derselben Stelle, an der man etwas hineingesteckt hat.
Alle haben etwas zu bieten, und sei es nur ein interessanter Artikel oder eine Information zu einem Thema, das mein Gegenüber begeistert. Gleichzeitig bedeutet das aber auch, dass ich wiederum etwas über mein Gegenüber wissen muss, dass es mich überhaupt interessiert, mit wem ich es zu tun habe.
Die Forschung zeigt, dass die wirksamsten Verbindungen in einem Netzwerk die sogenannten „weak ties“ sind, die schwachen Beziehungen. Den meisten Nutzen zieht man demnach nicht aus engen und direkten Bekannten, sondern aus Bekannten von Bekannten, die wiederum Zugang zu anderen Netzwerken haben. Gerade Anfragen von Menschen, die wir nicht kennen, sollten uns interessieren, unabhängig davon, ob diese analog oder digital an uns gelangen. Zudem greift hier im Gegensatz zum linearen Effekt der Netzwerkeffekt. Im ersten Fall verändern sich Wert und Ressourcen von Bekanntschaften nur immer dann, wenn wir jemanden Neues treffen, das heisst eine Liste von Beziehungen wird immer länger. Der Netzwerkeffekt, auf dem beispielsweise das gesamte Internet beruht, bewirkt, dass die Wertsteigerung exponentiell mit jeder neuen Bekanntschaft ansteigt. Dieser Effekt tritt nur ein, wenn Beziehungen zwischen den einzelnen Bekanntschaften entstehen. Das heisst, erst als Verknüpferin oder Verknüpfer schaffen wir einen Netzwerkeffekt.
Aperos sind nicht Freizeit, sondern Teil der Arbeit. Schön ist natürlich, wenn sie trotzdem Spass machen. Und was ist ein erfolgreicher Netzwerk-Apero: Ein Anlass, an dem ich nur mit Menschen geredet habe, die ich noch nicht kannte (siehe „weak ties“).
Sie kennen keine erfolgreichen Menschen? Dann ist es spätestens jetzt Zeit, mit dem Netzwerken anzufangen!
Hier geht es zu einem Blogpost zum Thema Selbstmarketing und Networking in der Unikarriere.