Goal Commitment

 

Neulich ist mir im Rahmen eines Einzelcoachings ein alter Bekannter begegnet:

Ein Bogen für ein Mitarbeitergespräch, der fast genau so aussah wie derjenige, den wir im Jahr 1999 am Bundesamt für Statistik entwickelt hatten. Damals wurde das sogenannte PEG (Personalentwicklungsgespräch) eingeführt und wir hielten es für ein wirklich modernes Führungsinstrument. Das war ja auch nicht ganz falsch, weil institutionalisierte Mitarbeitergespräche immerhin besser sind als überhaupt keine Gespräche. Interessanterweise gab es da aber schon Führungspersonen aus der Privatwirtschaft, die bemerkten, ihre Firmen seinen bereits wieder daran, diese Instrumente abzuschaffen.

Das klassische Mitarbeitergespräch bestand und besteht heute meist noch aus den folgenden Teilen:

  • Beurteilung von Leistung und Verhalten (Skala A-D oder ähnlich)

  • Gesamtbeurteilung top-down durch die Führungskraft

  • Entwicklungspotential (ein kleines Kästchen)

  • Unterschriften

  • Bottom-up-Beurteilung (vereinzelt)

  • Zielvereinbarungsbogen

Zu den einzelnen Bestandteilen liesse sich viel sagen, sie sind alle in dieser Form problematisch und entstammen einem veralteten Menschenbild und Führungsverständnis.

Ich möchte mich hier jedoch auf die Zielvereinbarung beschränken:

Das Führen über Ziele, «Management by Objectives» (MBO) wurde erstmals 1954 von Peter Drucker als Management-Technik beschrieben, nächstes Jahr feiern wir also sein 70-jähriges Jubiläum. Zielvereinbarungen sind also ein Führungsinstrument aus der Vergangenheit, aus einer Zeit, in der Veränderungen sehr viel langsamer geschahen und Mehrjahrespläne noch Sinn machten.

Wenn wir im Rahmen des Mitarbeitergesprächs ein Ziel definieren, erstellen wir normalerweise einen detaillierten Plan mit Messkriterien der Zielerreichung. Dieses Vorgehen ist aber angesichts des Tempos heutiger Veränderungen gerade noch als Analyse der jüngsten Vergangenheit zu gebrauchen. Schon für den gegenwärtigen Moment taugt es nicht wirklich, können wir die Gegenwart ja auch erst wieder aus der Rückschau analysieren und beurteilen. Die Zukunft sehen wir schon gar nicht voraus, wir können höchstens auf der Basis von Trends und Ahnungen mögliche Szenarien entwerfen und uns überlegen, wie wir uns da möglichst wendig durchbewegen werden.

Weshalb werden dann Zielvereinbarungen überhaupt noch eingesetzt? Ich schätze mal, dass vielen Organisationen einfach noch nichts Neues eingefallen ist und dass die nach alter Schule ausgebildeten Manager:innen einfach an diesen Instrumenten festhalten, ohne sie zu hinterfragen. Oder dass es den armen HR-Fachleuten so geht wie mir damals, als ich 2006 den Auftrag erhielt, ein neues Mitarbeiter:innengespräch zu entwickeln. Acht Jahre lang war ich in Endlosschlaufen mit dieser Aufgabe beschäftigt, ohne dass je ein Entscheid über die Einführung eines neuen Instruments zustande kam.

In der Praxis noch einen weiteren, unerfreulicheren Grund, weshalb solche Zielvereinbarungen immer noch durchgeführt werden: Aus Arbeitgeber:innensicht sind sie unumgänglicher Bestandteil einer angestrebten Kündigung: Die Unfähigkeit der Mitarbeiter:in muss bewiesen werden, weshalb man messbare, schwer erreichbare Ziele «vereinbart». Aus Mitarbeiter:innensicht hingegen ist die Zielvereinbarung eher eine Cover-your-ass- oder Verhandlungs-Strategie. Sie wollen beweisen, dass sie ihre Ziele erreichen, damit sie eben nicht gekündigt werden oder um eine Beförderung oder Lohnerhöhung zu bekommen. Um möglichst messbare Ziele zu erhalten, formuliert man SMARTE-Ziele, die der bestmöglichen Überprüfbarkeit dienen. Zum Zeitpunkt der Erfindung der SMART-Methode war ich übrigens noch in der Sekundarschule …

Wann machen Ziele und deren Vereinbarungen überhaupt noch Sinn? Ich würde sagen dann, wenn sie langfristig genug sind, also eigentlich eher so etwas wie eine Vision darstellen. So können sie Kraft und Ausrichtung geben, und es ist von vornherein klar, dass sich der Weg dahin permanent verändert. Dass es Abkürzungen und Umwege geben, ja sogar, dass sich das ursprüngliche Ziel vollständig ändern wird. Es geht um die Kraft, nicht um die Zieldefinition.

Es gibt ein schönes Instrument aus der lösungsorientierten Schule, das in Mitarbeitergesprächen heute noch für Zielvereinbarungen genutzt werden könnte. Es misst das Goal-Commitment, also Wunsch und Kraft der Mitarbeiter:in sich überhaupt auf den Weg zu machen. Es funktioniert so:

Man nehme eine Skala von Null bis 10.

Frage 1: Wie ist meine Energie, die Sache anzugehen auf einer Skala von 0 bis 10?

Frage 2: Wie ist die Anziehungskraft dieses Ziels auf einer Skala von 0 bis 10?

Frage 3: Wie zuversichtlich bist du in die Machbarkeit auf einer Skala von 0 bis 10?

Frage 4: Wie klar bist du dir über die nächsten konkreten Schritte auf einer Skala von 0 bis 10?

Frage 5: Wie hoch schätzt du den Aufwand zur Zielerreichung auf einer Skala von 0 bis 10?

Wir rechnen dann: Wert 1 x Wert 2 x Wert 3 x Wert 4. Diese Zahl muss grösser sein als Wert 5.

Nach J. Olalla

Schon klar, dass bei Wille=Null nichts läuft!

Teste das Instrument doch einmal für ein Ziel von dir aus.
Dann erfährst du zumindest, ob du dich überhaupt auf den Weg machen möchtest.

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