Von Mentoring zu Sponsoring
Sheryl Sandberg, ehemalige COO von Facebook und Autorin des Bestsellers Lean in hat sinngemäss einmal folgendes gesagt: «Oft sprechen mich Frauen nach meinen Vorträgen an und fragen mich, ob ich ihre Mentorin sein könnte. Ich frage dann jeweils zurück: Und was tust du für mich?».
Wenn wir heute über Mentoring sprechen, meinen wir meist institutionalisierte Mentoringprogramme, die in der Regel für die Unterstützung von Frauen auf dem Karriereweg gedacht sind. Es handelt sich dabei also nicht um Mentoringbeziehungen im althergebrachten Sinn, wie sie Sandberg versteht. Traditionelles Mentoring ist eine reziproke Beziehung. Der Senior zieht den Junior nach. Er erhält dafür direkt etwas vom Junior oder gibt etwas weiter, das er selbst früher erhalten hat, aber eben an die nächste Generation. Der Senior gewinnt durch Letzteres zumindest einen guten Ruf und Ansehen. Noch interessanter ist es für ihn, seine jungen Stakeholder dann in entscheidenden Funktionen seines strategischen Netzwerks einsetzen zu können und dadurch seinen Einflussbereich zu erweitern. Institutionalisierte Mentoringprogramme hingegen verstehen das Geben und Nehmen in der Beziehung vor allem darin, dass der Ältere Wissen und Zeit gibt und sich die Jüngere seriös auf die Gespräche vorbereitet, ein Ziel hat, gute Fragen stellt und dem Älteren zeigt, wie die Millennials denken und arbeiten (Simon Sinek zu Millennials).
Diese Mentoringprogramme sind zwar eine gute Unterstützung für die Mentees, kommen aber an das althergebrachte Mentoring nicht heran. Der Versuch der Demokratisierung des Mentoring und insbesondere auch dessen Einsatz zur Förderung von Frauenkarrieren ist bisher nicht wirklich geglückt. Es fehlt den Programmen meist der Anteil dessen, was man heute als Sponsoring bezeichnet. Dazu gehört die konkrete Unterstützung der Mentees durch Schaffen von Gelegenheiten zu Auftritt und Publikation, die Empfehlung und das Lobbying, wenn es um Beförderungen und Bewerbungen geht. Auch der Zugang zu Forschungszeit, Räumlichkeiten und Finanzierung ist ein entscheidender Bestandteil des Sponsoring.
Hermina Ibarra, Professorin an der London Business School (Autorin von Act Like a Leader, Think Like a Leader) hat sich in einem kürzlich in der HBR erschienenen Artikel (How to Do Sponsorship Right) über gutes Mentoring und über die Bedeutung von Sponsoring für Frauenkarrieren geäussert. Ob das Programm nun «Mentoring» heisst oder ob es sich um Sponsoring handelt, zwei Faktoren bestimmen Qualität und Erfolg: Public Advocacy und Relational Authenticity.
Public Advocacy bedeutet, dass der Senior für die Juniorin eintritt und seinen Einfluss nutzt, um Karrieremöglichkeiten zu schaffen. Die Resultate sind messbar. Nicht zu unterschätzen dabei ist, dass die zuvor etablierte Beziehung so gut sein muss, dass die Senior sicher sein kann, dass die jüngere Person die Leistung auch wirklich erbringen kann. Es steht schliesslich auch ihre Reputation auf dem Spiel.
Relational Authenticity ist ein gegenseitiger Prozess, in dem beide Parteien ihr Perspektiven teilen und offen dafür sind, voneinander zu lernen.
Leider ist es nun so, dass nach wie vor Frauen weniger Zugang zu Sponsoring haben als ihre männlichen Kollegen. Frauen of color kommen noch weniger zum Zug. Während offiziell Mentoringprogramme für Frauen laufen, geben hinter verschlossenen Türen männliche Seniors Karrieremöglichkeiten an meist männliche Juniors weiter. Während es offizielle Bewerbungsverfahren mit definierten Prozessen gibt, werden protegierte Kandidaten neben dem ordentlichen Verfahren hochgezogen. Nur Transparenz kann diese Ungleichheit aus dem Weg schaffen. Und echtes Sponsoring für alle begabten KandidatInnen, egal welchen Geschlechts.
Im Februar 2022 haben PD Dr. med. Beate Grass und Prof. Dr. med. Beatrice Latal eine erkenntnisreiche Erhebung «Sponsorship in academic medicine in Switzerland: Push and pull» publiziert. Sie untersuchten Karriereförderungsprogramme für Frauen zweier medizinischer Fakultäten auf ihr Mentoring- und Sponsoringangebot hin. Rund 97% der Teilnehmerinnen verfügten über eine Mentorin oder einen Mentor. Davon behandelten rund 55% relevante Themen zu Karriereentwicklung. Etwa ein Drittel aller Teilnehmenden erfuhren auch Sponsoring. Einem Zehntel war der Begriff des Sponsoring nicht bekannt. Hier ist also noch viel Luft nach oben. Die Mentoringprogramme sind eine gute Sache und eine wichtige Errungenschaft. Institutionen und Förderprogramme müssen dennoch wachsam sein, damit sie nicht zahnloses Mentoring für Frauen anbieten, während Sponsoring für wenige Männer hinter verschlossenen Türen wirksam ist.
Und die Mentees? Sie sollten sich nicht nur inhaltlich auf die Mentoringgespräche vorbereiten. Sondern auch einen strategischen Blick haben und offen mit dem Mentor klären, welches konkrete Sponsoring mit im Paket ist.
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