Mansplainer und Co.

 

2008 prägte die Erfolgsautorin Rebecca Solnit den Begriff des «mansplaining». Auslöser dafür war eine Szene, die sich am späteren Abend auf einer schicken Party abspielte. Als letzte Gäste blieben Solnit und ihre Freundin mit dem Gastgeber zurück. Er hatte sie gebeten zu bleiben, weil er noch mit ihnen sprechen wollte. Umgehend begann er über ein Buch zu dozieren, das ihn nachhaltig beeindruckt hatte (River of Shadows, zur Technologisierung und Industrialisierung Amerikas im 19. Jahrhundert).

Solnit und ihre Freundin merkten sofort, dass es sich dabei um ein Buch handelte, das Solnit selbst geschrieben hatte. Die Freundin unterbrach den Gastgeber in seinem Redefluss und sagte ihm, dass Solnit die Autorin sei. Sie musste diese Bemerkung dreimal wiederholen, bis der Redner, mit aschfarbenem Gesicht, still wurde. Doch bereits nach kurzer Zeit hatte er sich wieder gefasst und setzte seinen Vortrag fort. Zum Schluss stellte sich überdies heraus, dass er das Buch gar nicht gelesen hatte, sondern lediglich aus einer Buchkritik der New York Times zitierte.
Wir alle kennen Mansplainer und ich möchte nicht unterschlagen, dass es auch Womansplainer gibt und dass auch Männer «be-mansplaint» werden. Mehrheitlich handelt es sich dennoch um ein Phänomen, bei dem ältere Herren jüngeren Frauen die Welt erklären.

Vor kurzem erschien nun ein wunderbares Buch von Nicole Tersigni mit dem Titel Men to Avoid in Art and Life, in dem sie alte Gemälde mit Sprechblasen unterlegt, die auf eine Mansplaining-Situation anspielen. Dabei hat sie die Figur des Mansplainers um ein paar verwandte Kollegen erweitert, die einem durchaus auch bekannt vorkommen können:

Der Patronizer: Er greift Frauen an, indem er auf ihren (von ihm imaginierten) Gefühlen herumreitet. Er macht sie klein, damit er sich gross fühlen kann. «Ich kann nicht mit dir reden, wenn du hysterisch wirst.» Er ist ein naher Verwandter des Concern Trolls.

Der Concern Troll: Er geht mit besorgter Miene auf Frauen zu und spricht sie mitfühlend auf irgendetwas an, das sie gesagt oder getan haben sollen. Die Besorgnis ist aber nicht ernst, sondern dient wiederum der Herabstufung. «Ich kann schon verstehen, dass du das ausdrücken wolltest, aber du solltest nicht in diesem Ton mit deinen Leuten sprechen».

Der Comedian: Er ist von seinem Witz und Humor überzeugt und erwartet, dass man lacht, wenn er etwas zum Besten gibt. Findet man es nicht lustig, sagt er, dass man keinen Spass verstehe und keinen Humor habe (Der Beste hier ist immer noch Ricky Gervais in The Office, Achtung Fremdschämeralarm!: https://www.youtube.com/watch?v=mXytRC0k-K8 oder musikalischer: https://www.youtube.com/watch?v=sEtQj9wuqhs).

Der Sexpert: Er weiss alles über Frauen und Sex. Er kennt den weiblichen Körper besser als die Frauen und kann erklären, weshalb frau keinen Orgasmus erlebt. Im Gegensatz zu all seinen bisherigen Freundinnen! (Die klassische Szene hierzu aus When Harry Met Sally:  https://www.youtube.com/watch?v=pQqFXpfPpIM).

Die beschriebene Mannschaft hat zwar eine durchaus komische Seite, es darf aber nicht unterschätzt werden, wie Frauen sich dabei fühlen, wenn sie unnötig belehrt werden, sich langfädige Erläuterungen anhören müssen und sich vor allem nicht ernstgenommen fühlen von Vertretern ihres beruflichen Umfelds. Im Folgenden führe ich ein paar konkrete Beispiele auf, die ich entweder selbst erlebt habe oder von denen mir Kundinnen erzählt haben:

  • Penetrantes Nennen des Vornamens: Ein Mann redet gütig belehrend zu einer Frau und verwendet in jedem Satz ihren Vornamen : «Weisst du, Andrea, das ist wichtig … Wie du siehst, Andrea, können wir das auch so machen …»

  • Als Steigerung des unmittelbaren Mansplaining: «Das kann ich dir später mal erklären», «Du wirst das schon noch verstehen.»

  • Beim Betriebsfest: Es ist schon spät, die meisten haben ein paar Gläser getrunken und nun ist Zeit für die Anekdoten- und Witzrunde des Chefs. Die meisten bleiben noch und lachen anständig mit, wenige andere verabschieden sich möglichst diskret.

  • Besorgnistroll: «Ist das nicht zu viel Arbeit neben der Familie?» und ähnliche Aussagen gegenüber Müttern. Selbstverständlich kriegt ein Vater das nie zu hören.

  • «Wenn du mal Professorin bist, kannst du mir das erklären.» Schlaues Umdrehen des Mansplaining mit dem Hinweis, man sei jetzt eben noch nicht gebildet genug, eine Sicht zum Thema abzugeben.

  • Unablässiges Namedropping von Wissenschaftlern, Künstlern: «Wie schon bei Hegel …»

  • Ausgrenzen von Themen, die den Chef nicht interessieren oder von denen er nichts versteht: «Dieses Thema gehört nicht in diesen Kontext, das schauen wir nicht an.»

Wie reagieren nun viele Frauen typischerweise auf solche Spielchen? Meist sind sie perplex oder sogar verletzt. Sie fühlen sich klein, das Hochstaplersyndrom (siehe mein Buch “Im gläsernen Labyrinth”) schlägt zu. Und dazu kommt die Angst davor, was passieren würde, wenn man sich wehrt. Begebe ich mich ins berufliche Abseits? Werde ich abgestraft?

Was tun? Hier ein paar Tricks, die in solchen Situationen helfen können:

  • Ruhig bleiben und denken: Das hat nichts mit mir zu tun! Es ist mein Gegenüber, das sich absurd verhält.

  • Den Redefluss unterbrechen und unter einem Vorwand verschwinden.

  • Konkrete Fragen stellen: «Warum?», «Wie genau?», «Erklären Sie mir das im Detail!», «Welches konkrete Buch dazu haben Sie gelesen?” “Können Sie mir die Referenz angeben?»

  • Oder fragen: «Weshalb genau willst du mir diesen Sachverhalt erklären?»

  • Der Klassiker: «Dafür habe ich leider gerade keine Zeit.»

  • Widersprechen: «Das sehe ich anders.»

In speziellen Situationen:

Die Frau kennt den Redner kaum. In diesem Fall muss frau sich das nicht anhören. Also einfach weitergehen und eine neue Gesprächspartnerin suchen.

Der Mansplainer ist ein Kollege oder der Chef. Hier kann man sagen: «Mir ist es wichtig, ausreden zu dürfen», «Mein Redebeitrag ist noch nicht fertig». Auch eine andere Person könnte hier für einen einspringen: «Mich interessiert, was Susanne dazu meint.»

Der eigene Partner erklärt die Welt. Schlagen Sie ein Gespräch darüber vor und sagen Sie, was Sie daran stört. Oder sagen Sie in der konkreten Situation: «Stopp, jetzt bin ich dran!»

Test

Wenn Sie überprüfen möchten, ob Sie selbst zum Mans- oder allenfalls Womansplaining neigen, können Sie dies schnell anhand dieses praktischen Flussdiagramms überprüfen: (Quelle: Kim Goodwin, Twitter):

Mansplaining.jpg

Literatur:
Nicole Tersigni:
Men to Avoid in Art and Life: https://www.nicoletersigni.com/books

Rebecca Solnit Essay: Men Explain Things to Me: http://rebeccasolnit.net/book/men-explain-things-to-me/

Sibyl Schädeli: Im gläsernen Labyrinth

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